„Wir müssen die Demokratie demokratisch verteidigen“

Fotos: Ulf Preuß

Nachdem Kirchenpräsident Martin Heimbucher zu Beginn des Podiumsgesprächs am Vorabend des Reformationstags eingeräumt hatte, dass die Kirchen Toleranz erst über viele Jahrhunderte erlernen musste, schälte sich sehr schnell ein Kernthema heraus: Wie kann es gelingen, Demokratie und Freiheit gegen Rechtsextremismus zu verteidigen. Besonders die AFD und ihre Vertreter im Bundestag standen im Fokus.

Die Evangelisch-reformierte Kirche hatte am 30. Oktober abends in die Neue Kirche in Emden geladen. Kirchenpräsident Martin Heimbucher diskutierte mit drei Politikern über den Stellenwert von Toleranz in der heutigen Zeit. Ein Wert von hohem Stellenwert, wie die Moderatorin Carola Scheede betonte.

Der Emder SPD-Bundestagsabgeordnete Johann Saathoff war ganz unmissverständlich. „Wir lassen den Antidemokraten keinen Raum. Ich werde niemals einen Politiker der AFD zum Vizepräsidenten des Bundestags wählen.“ Die Grüne Bundestagsabgeordnete Filiz Polat aus Osnabrück beklagte, die sprachliche Verrohung im Parlament. Es sei erschreckend, wie oft das Nazi-Wort „entartet“ inzwischen im Bundestag vorkomme. Sie wünsche sich, dass die Sitzungsleitung hier klarere Grenzen ziehe. „Es darf im Parlament nicht alles unwidersprochen bleiben“, sagte sie. Der neu gewählte Emder Oberbürgermeister Tim Kruithoff räumte ein, dass bei der Europawahl auch in Emden die AFD zweistellige Ergebnisse erzielen konnte. Obwohl, so Kruithoff, gar keine Kandidaten zur Wahl standen. „“Es gibt Enttäuschungen, da müssen wir arbeiten“, sagte er.

Filiz Polat warnte, wie weit rechtsextremistisches Denken und Handeln den deutschen Alltag inzwischen bestimmten. Es sei für sie unerträglich zu wissen, dass es Menschen in Deutschland gebe, die 24 Stunden am Tag Angst haben müssten. Johann Saathoff forderte in politischen Debatten klare Unterschiede in der politischen Haltung auch zu benennen. „Ich bin Demokrat oder Nicht-Demokrat“. Dabei ließen sich manche Behauptungen leicht entzaubern. Der AFD-Spruch, die da oben wollen mit uns nichts zu tun haben, sei schlicht falsch. „Jeder im Wahlkreis hat das Gesprächsangebot.“ Kirchenpräsident Martin Heimbucher forderte, die Demokratie demokratisch zu verteidigen. Verantwortlich seinen dafür die Regierenden und die Regierten. „Demokratie funktioniert nur, wenn wir sie selber leben.“ Zivilcourage sei heute gefragt, meinte er.

Für die rund 70 Besucher an diesem Abend hob sich das Podiumsgespräch angenehm von so mancher TV-Talksendung ab. Angetan waren auch zwei Emder Konfirmanden. Sie waren ganz erstaunt, dass die Diskussion 80 Minuten gedauert hatte. „Es fühlte sich an wie 30 Minuten.“

In der Neuen Kirche diskutierten (von links): Moderatorin Carola Scheede, Johann Saathoff (SPD-Bundestagsabgeordneter aus Emden), Filiz Polat (Bundestagsabgeordnete Bündnis 90/Die Grünen aus Osnabrück), Kirchenpräsident Martin Heimbucher

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