Rückblick: 35 Jahre ehrenamtliche Kirchenleitung

Jakobus Baumann nach seiner letzten Synodentagung (Foto: Ulf Preuß)

Mit der Gesamtsynode am 26. und 27. September endete auch die langjährige Tätigkeit von Jakobus Baumann aus Stapelmoor. Der 77-Jährige war 35 Jahre in der Kirchenleitung aktiv: 35 Jahre in der Gesamtsynode, 35 Jahre in der Regionalsynode Rheiderland – und die letzten elf Jahre als stellvertretender Präses der Gesamtsynode.


Herr Baumann, auf die 35 Jahre Gesamtsynode zurückblickend, was ist für Sie das prägendste Erlebnis gewesen?

Vorweg: Pastor Hermann Steen aus meinem Geburtsort Holthusen- eine überzeugende Persönlichkeit der Bekennenden Kirche in der Nazizeit- hat mich mit seiner authentischen Verkündigung kirchlich geprägt und für die Evangelisch-reformierte Kirche gewonnen.

Meine kirchenpolitische Prägung durfte ich gleich in meiner ersten Gesamtsynode im April 1989 erfahren. Im Synak Ostfriesland gab es großes Unbehagen zum Stellenplan 1989. Ich schlug seinerzeit vor, sich durch Vertagung mehr Zeit für eine Beratung zu verschaffen. Der Synak bat mich, in der Gesamtsynode – meiner ersten!!– entsprechend zu votieren. Dort wurde mein Antrag bei 14 Nein-Stimmen und einer Enthaltung mit 32 Stimmen angenommen.

Mir wurde in meiner ersten Synode deutlich: Die Evangelisch-reformierte Kirche funktioniert – wie in unserer Kirchenverfassung verankert - „von unten nach oben“, nicht umgekehrt. In dieser Kirche kannst du gemeinsam mit anderen etwas bewegen.

Was hat Sie über die vielen Jahre motiviert, dieses Ehrenamt, das ja auch mit einem beträchtlichen Zeitaufwand verbunden ist, auszuüben?

Früher wurde die Frage vernachlässigt, wie lange man eine ehrenamtliche Tätigkeit übernehmen würde. Heute fragen junge Menschen, die sich auch in der Kirche stark engagieren, wann beginnt die Arbeit und wann hört sie auf? Ich finde diese Frage richtig und völlig in Ordnung; denn in 35 Jahren hat sich vieles verändert oder neu ergeben: Familienstrukturen, Berufstätigkeit beider Partner, Mobilität, Digitalisierung, Work-Life-Balance und mehr. Dies alles führt folgerichtig auch zur regelmäßigen Überprüfung des ehrenamtlichen Engagements.

Ich fand die Arbeit, die die Kirche im Verkündigungsbereich und in vielen sozialen Einrichtungen leistet, immer hochspannend und wollte meinen Teil dazu einbringen.

Allerdings gab es dazu zwei Glücksfälle, die mir dies auch ermöglicht haben:
Meine Frau, die als Grundschulleiterin und später als Realschulkonrektorin alle Hände voll zu tun hatte, trug meinen ehrenamtlichen Dienst voll mit und entlastete mich bei der Erziehung unserer drei Kinder, im Haushalt, Garten und in vielen anderen Bereichen. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.

Pastor Manfred Gerke aus Stapelmoor - leider schon verstorben-, mit dem mich eine enge Freundschaft verband, und ich haben uns jeden Monat einen Abend freigeschaufelt. An diesen „Herrenabenden“ bekam ich auch theologischen Nachhilfeunterricht. Das hat mir sehr geholfen. Auch der regelmäßige Austausch mit den Pastorinnen und Pastoren des Rheiderlandes in der Pastorenkonferenz war für mich sehr hilfreich.

Gibt es ein Thema, über das Sie heute anders denken, als Sie es zu Beginn Ihrer Tätigkeit getan haben?

Ja, da fallen mir viele Themen ein, drei will ich nennen.
1. Bei der Frage, wie viele Theologen wir aus einem großen Nachwuchspool aus finanziellen Gründen übernehmen konnten, würde ich heute noch genauer hinschauen. Wir haben seinerzeit viele Nachwuchstheologen enttäuscht, verletzt und dauerhaft für unsere Kirche verloren.
2. In der Finanzkrise unserer Kirche mussten wir sehr viele tiefgreifende Entscheidungen auch zu Lasten unserer Gemeinden treffen. Heute käme ich für mich in Teilbereichen zu anderen Ergebnissen, etwa bei der Kirchenmusik.
3. Bei der sexualisierten Gewalt wäre ich gerne früher wachsam gewesen

Welchen besonderen Herausforderungen, glauben Sie, werden sich Ihre Nachfolgerinnen und Nachfolger stellen müssen?

Die engagierten und hoch motivierten Nachfolgerinnen und Nachfolger kennen die Herausforderungen sicherlich besser als ich. Ich möchte weder erinnern noch Vorschläge unterbreiten.

Aufgrund aktuell zunehmender Säkularisierung stand bisher auf meiner Liste, bei folgenden Themen am Ball zu bleiben:
- Weniger Pastorinnen und Pastoren dürfen nicht überfordert werden.
- Gemeinden müssen – soweit noch nicht geschehen- schnellstens Wege für eine Zusammenarbeit finden.
- Der Klimawandel muss noch stärker priorisiert werden.
- Kirchenmusik für junge Menschen kann ein Schlüssel für das Öffnen der Kirchentüren sein.
- „Neue Medien“ der Kirche müssen Kinder/Jugendliche erreichen.
- Fortsetzung der Zusammenarbeit mit anderen Gliedkirchen auch mit dem Ziel, die Selbständigkeit unserer Evangelisch-reformierten Kirche zu erhalten.

Wir sollten uns bei allem Tun immer wieder Paragraf 1 unserer Verfassung zurufen: „Die Evangelisch-reformierte Kirche ist gegründet allein auf Jesus Christus, ihren Herrn, wie er in der Heiligen Schrift bezeugt wird.“

Gibt es ein Bibelwort, das Sie durch diese 35 Jahre getragen hat?

Mich hat das Bibelwort begleitet: “Suchet der Stadt Bestes...“ Dieses Bibelwort heißt für mich: Verantwortung für Mitmenschen übernehmen, zuhören, beraten, die Augen öffnen, Nachbarn wahr- und Fremde aufnehmen, Schwache unterstützen.

Wenn Sie ein Wort als Bilanz Ihrer ehrenamtlichen Arbeit in der Evangelisch-reformierten Kirche nennen sollten, welches ist das?

Meine ehrenamtliche Arbeit hat mir Freude bereitet und mich erfüllt. Ich habe mich in der Gesamtsynode verabschiedet in Demut, Zufriedenheit und großer Dankbarkeit. Ich bin dankbar, dass ich 35 Jahre die Kraft bekommen habe, diese Arbeit zu tun.
Wie gewünscht, auf ein Wort reduziert: Dankbarkeit

7. Oktober 2024
Fragen: Ulf Preuß


Zur Person

Jakobus Baumann (77) stammt aus der Gemeinde Stapelmoor, wo er 1972 erstmalig in die Gemeindevertretung gewählt wurde. Von 1989 bis 2024 gehörte er der Synode des Synodalverbandes Rheiderland an. Ebenso lange, nämlich 35 Jahre war er Mittglied der Gesamtsynode, während dieser Zeit mehrere Jahrzehnte Vorsitzender des Synodalen Arbeitskreises Ostfriesland (Synak). Bis 2007 gehörte Baumann dem Finanzausschuss, ab 1990 als Vorsitzender, an. Von 2007 bis 2024 war er Mitglied des Moderamens der Gesamtsynode und hier von 2013 bis 2024 stellvertretender Präses.

Noch bis 2026 ist er gewählt als Vertreter der Evangelisch-reformierten Kirche in der EKD-Synode und hier Mitglied des Haushaltsausschusses.

Jakobus Baumann war im Hauptberuf unter anderem von 1994 bis 2000 Gemeindedirektor in Jemgum und danach bis 2006 hauptamtlicher Bürgermeister.

 

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