Lichter der Verbundenheit

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Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische-Zusammenarbeit Ostfriesland (GFCJZ) hat zu Beginn des jüdischen Lichterfestes (Chanukka) Bürgerinnen und Bürger aus Leer und Umgebung aufgerufen , Lichter der Verbundenheit mit den jüdischen Gemeinden in Deutschland zu zeigen.

Rund 80 Menschen kamen gestern Abend, 7. Dezember 2023, zu der Kundgebung an der Gedenkstätte für die während der Nazizeit getöteten Jüdinnen und Juden in Leer. Auf der anderen Straßenseite, an der Stelle der 1938 zerstörten Synagoge, wurde ein Bild der Synagoge an eine Stellwand projiziert.

Der ehemalige Kirchenpräsident Martin Heimbucher sagte für die GFCJZ: "Es ist unerträglich, dass auch heute wieder Menschen Angst haben müssen, sich als Jüdinnen und Juden öffentlich zu zeigen, ausgerechnet auch in unserem Land! Es ist beschämend, dass ihre Gottesdienste nur unter Polizeischutz stattfinden können. Es kann doch nicht sein, dass Jüdinnen und Juden sich heute nicht mehr trauen, auf der Straße hebräisch zu sprechen!"

Für die evangelisch-reformierten Gemeinden im Synodalverband Südliches Ostfriesland richtete Präses Ingo Brookmann anlässlich des Chanukka-Festes ein Solidaritätsschreiben an die jüdische Gemeinde in OIdenburg. "Wir wünschen Ihnen ein gesegnetes Chanukka-Fest und möchten gern mit dazu beitragen, dass niemand aus der jüdischen Gemeinde gezwungen ist, den Chanukka-Leuchter zu verbergen." Brookmann kündigte eine Kollektensammlung zugunsten eines Projektes der Gemeinde an.

Mit dem Chanukka-Fest einnern Jüdinnen und Juden weltweit an die Wiedereinweihung des Jerusalemer Tempels im zweiten Jahrhundert vor Christus. Jeden Tag nach Einbruch der Dunkelheit entzünden Jüdinnen und Juden eine Kerze mehr an der Chanukkia, dem neunarmigen "Chanukka-Leuchter" - bis am Ende alle Lichter brennen.

Auch an anderen Orten in Deutschland gab es ähnliche Veranstaltungen.

8. Dezember 2023
Ulf Preuß, Pressesprecher


Die Ansprache des ehemaligen Kirchenpräsidenten, Martin Heimbucher, für die GFCJZ im Wortlaut:

"Licht in der Nacht. Heute ist der erste Tag von Chanukka. Jüdische Familien und Gemeinden feiern dieses Fest in vielen Ländern der Erde – und natürlich auch in Israel. Heute wird niemand dieses Fest feiern, ohne an die Situation nach dem 7. Oktober zu denken: an das entsetzliche Massaker, das die Hamas angerichtet hat; an ihre fortdauernden Raketenangriffe auf Israel; an die immer noch mehr als 130 Geiseln in den Kellern der Terroristen; an die israelischen Soldaten, die ihr Leben aufs Spiel setzen zur Befreiung der Geiseln und zur Befreiung des Gazastreifens vom mörderischen Regime der Hamas. Und ja: Jüdische Gemeinden beten auch für die Zivilisten im Gazastreifen, die jetzt ihre Wohnungen und ihr Leben verloren in diesem Krieg, den die Hamas mutwillig vom Zaun gebrochen hat: sie beten um Trost für die Trauernden und um Heilung für die Traumatisierten, auf beiden Seiten. Und sie beten dafür, dass nach diesem Krieg endlich die Bereitschaft wachsen möge, neue Wege zu suchen für eine gewaltlose Koexistenz im Nahen Osten.

Licht in der Nacht. Chanukka 2023, nach jüdischer Zeitrechnung im Jahr 5784, kann kein unbeschwertes Fest sein. Und dennoch zünden wir – in Verbundenheit mit den jüdischen Gemeinden – Lichter an und hoffen auf ein Wunder. Ein Wunder war es, so erzählt die Geschichte von Chanukka, dass die Lichter wieder brannten, damals im Tempel von Jerusalem. Im zweiten Jahrhundert vor Christi Geburt herrschten die Seleukiden über Judäa und Jerusalem. Die seleukidischen Besatzer führten in Israel die griechische Kultur ein, sie verboten den Besitz von Thorarollen und entweihten den Tempel: Im Allerheiligsten stellten sie eine heidnische Götterstatue auf und zwangen die Menschen, sie zu verehren. Das brachte das Fass zum Überlaufen: Es formierte sich gewaltsamer Widerstand. Judas Makkabäus wird zum Anführer der Bewegung. Und es gelingt den Widerstandskämpfern tatsächlich, den Tempel und ganz Jerusalem zurück zu erobern und die Besatzer zu vertreiben.

Und nun zu dem Wunder von Chanukka, wie es eine Legende erzählt: Als man den Tempel befreit hat, ist von dem geweihten Öl, das die Menora speist, den siebenarmigen Leuchter, nur noch ein kleiner Rest da. Das neu entzündete ewige Licht, das Symbol der Gegenwart Gottes, droht wieder zu erlöschen. Aber auf wundersame Weise brennen die paar Tropfen Öl ganze acht Tage lang, so lange, bis neues Öl zur Verfügung steht. Deshalb werden an Chanukka nach Einbruch der Dunkelheit bis heute Kerzen angezündet, acht Tage lang. Man unterbricht den Alltag, spricht den Segen, sitzt zusammen, man singt Lieder, isst leckere Speisen und spielt Gesellschaftsspiele.

Es ist üblich, den Chanukka-Leuchter ins Fenster zu stellen oder vor die Haustür. Auch die Vorbeigehenden sollen etwas spüren vom Glanz dieses Wunders. Im Talmud aber wird dafür eine Einschränkung gemacht, die heute aufhorchen lässt. Es heißt dort: „In der Stunde der Gefahr stelle man den Leuchter auf seinen Tisch und das ist genug.“ Immer mussten jüdische Gemeinden damit rechnen, dass ihnen Gefahr drohte. Dann mussten sie ihre Feste im Verborgenen feiern.

Es ist unerträglich, dass auch heute wieder Menschen Angst haben müssen, sich als Jüdinnen und Juden öffentlich zu zeigen, ausgerechnet auch in unserem Land! Es ist beschämend, dass ihre Gottesdienste nur unter Polizeischutz stattfinden können. Es kann doch nicht sein, dass Jüdinnen und Juden sich heute nicht mehr trauen, auf der Straße hebräisch zu sprechen! Oder sich sorgen müssen, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Und es ist erschütternd, dass an vielen Universitäten jüdische Studenten und Studentinnen von offenem, aggressivem Mobbing betroffen sind. - Weil wir das nicht dulden wollen, darum stehen wir hier. Und tragen Lichter in die Öffentlichkeit. Und zeigen unsere Verbundenheit mit Jüdinnen und Juden in unserem Land. Und in Israel. Und weltweit. – Licht in der Nacht!"

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