Christlich-jüdischen Dialog weiter stärken

Foto: Gabi Schoenemann / pixelio.de

Nach Ansicht von Kirchenpräsident Martin Heimbucher sollten die Kirchen den christlich-jüdischen Dialog weiter stärken. Zwar nehme er in der kirchlichen Öffentlichkeit keine ausgesprochen antijudaistischen Tendenzen mehr wahr, sagte der leitende Theologe der Evangelisch-reformierten Kirche mit Sitz in Leer im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wir haben aus dem christlich-jüdischen Dialog viel über uns Christinnen und Christen gelernt. Aber die Erkenntnisse sind noch nicht selbstverständlich genug in unsere kirchliche Sprache und unsere Gottesdienste eingewandert."

"Im Kern geht es um das Nachdenken darüber, wie jüdisch wir als Christen sind", betonte Heimbucher. Die Forschung habe hierzu in den vergangenen 20 Jahren auf christlicher und jüdischer Seite neue Erkenntnisse gebracht. Darum sei es notwendig, schlichte und längst bekannte Einsichten immer wieder neu zu bedenken: "Jesus Christus war Jude. Alle Verfasser der Schriften des Neuen Testaments waren Juden."

Dieser Lernprozess müsse in der ganzen Kirche weitergehen, unterstrich der Theologe. So könne man auch der Tendenz begegnen, erneut das "christliche Abendland" gegen das Judentum ausspielen. "Die reformierte Kirche hat relativ bald nach dem Holocaust dieses Lernen im Gespräch mit Jüdinnen und Juden als wesentlich erkannt." Als erste evangelische Landeskirche in Deutschland habe sie bereits 1989 die Verpflichtung dazu in den ersten Paragrafen ihrer Verfassung aufgenommen. Die Formulierung lautet dort: "Es gehört zum Wesen und Auftrag der Kirche, Begegnung und Versöhnung mit dem Volk Israel zu suchen."

Jahrhundertelang habe sich das Christentum vor allem in Abgrenzung zum Judentum definiert, erläuterte der Kirchenpräsident. Nach dem Holocaust sei in der theologischen Diskussion dann das Bild vom Ölbaum und den Zweigen in den Vordergrund getreten. Als Stamm des Baumes wurde dabei das Judentum angesehen, während das Christentum daraus verzweigt erwachse. "Doch auch dieses Bild ist missverständlich und problematisch." Judentum und Christentum müssten sich neu als "Schwesterreligionen" verstehen: "Sie wachsen auf dem selben Boden, teilen die selben Wurzeln und haben sich dann unterschiedlich entwickelt - zum Teil in heftiger gegenseitiger Abgrenzung. Das kennen wir aus Politik, Kirche und Familie: Je ähnlicher sich die Leute sind, desto erbitterter kann der Streit werden."

Dennoch habe es eine ständige gegenseitige Beeinflussung zwischen Judentum und Christentum gegeben. Das werde besonders in den jeweiligen religiösen Festen deutlich. Heimbucher wies auf die Kampagne der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und der Deutschen Rabbinerkonferenz für das kommende Jahr hin: "#beziehungsweise: jüdisch und christlich - näher als du denkst". Die Kampagne zeige, wie sehr die religiösen Feste von Juden und Christen im Jahreskreis voneinander inspiriert seien. Dies sei ein starkes Zeichen gegen den Antisemitismus.

29. Dezember 2020
Evangelischer Pressedienst (epd)

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