Armut hat viele Gesichter

Lebensmittelausgabe beim Brotkorb in Weener (Archivfoto: Ulf Preuß)

Thema der Jahreskonferenz des Diakonischen Werkes der Evangelisch-reformierten Kirche war in diesem Jahr“Armut hat viele Gesichter – wir schauen hin“.  Die Tagung stand unter der biblischen Überschrift „Schaffet Recht den Armen und helft den Elenden… (Psalm 82, 3)“. Nach drei Jahren Corona-bedingter Pause tagte die Diakonische Konferenz an diesem Wochenende im Haus Blinkfüer auf der Nordseeinsel Borkum.

 

Der Vorsitzende des Diakonischen Werkes, Pastor Werner Keil aus Bremerhaven, hat bei der Konferenz vor einer Spaltung durch Armut gewarnt. Er sagte am Samstag, 7. Oktober 2023, auf Borkum: „Armut spaltet Gesellschaften. Sie spaltet die globale Gesellschaft der Nationen in arme und reiche Nationen und Regionen, und gleichzeitig spaltet sie innerhalb der nationalen bzw. regionalen Gesellschaften die Bevölkerung.“

Keil betonte, dass bei der Überwindung von Armut besonders nicht-arme Menschen gefordert sind. Er sagte: „Das reiche Kamel geht nicht freiwillig durchs Nadelöhr der Gerechtigkeit. Nur wer aus Richtung der Gerechtigkeit die Welt in den Blick nimmt, wird sich den Gesichtern der Armut zuwenden können und schauen, ob es Wege durch das Nadelöhr geben kann.“

In seiner Rede bestätigte Keil die aktuellen Probleme der Tafeln und Brotkörbe, die zuletzt in der vergangenen Woche bundesweit öffentlich debattiert wurden. Für immer mehr Hilfesuchende, bei denen das Einkommen nicht für das lebensnotwendige reiche, stünden immer weniger Spenden von Herstellern und Einzelhandel zur Verfügung. Keil kritisierte, dass sich die Tafeln „zu einem parallelen Reparaturbetrieb im sozialstaatlichen Gefüge“ entwickelt hätten. Es gäbe immer häufiger Berichte, dass in der Diskussion um die Höhe von Sozialleistungen der Satz „Dann können Betroffene ja zur Tafel gehen“ falle. Keil sagte: „Sozialpolitisch müsste das Ziel die Auflösung der Tafeln sein.“ Gleichwohl lobte er: „Unbestritten ist die Arbeit der Tafeln segensreich und sinnvoll. Sie ist eine gute und notwendige Nothilfe.“

Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden wies in ihrem Grußwort auf die Folgen einer nicht bekämpften und wachsenden Armut hin. Sie sagte, „die deutliche Furcht vor Armut und vor einem wachsenden Armutsrisiko fördert in der Mitte der Gesellschaft Misstrauen in die Politik und das rechtsstaatliche System.“

Mit ihren diakonischen Angeboten begegne die Kirche tagtäglich dem Thema Armut. Bei der Wieden dankte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Sie begegnen den Menschen, die von Armut betroffen sind. Sie schenken Ihnen Gehör. Sie schenken Ihnen offene Herzen. Sie geben ihnen eine Stimme.“ Das sei ein Hoffnungszeichen und ein wichtiges Signal in die Gesellschaft hinein. „Vielleicht auch ein solches, das Menschen zum Mittun einlädt“, so die Kirchenpräsidentin.

8. Oktober 2023
Ulf Preuß, Pressesprecher

 

Konferenzort war die Reformierte Kirche (Foto: Lilia Waal)

Zurück